Gedenkwoche – „AUFBRUCH der Campusgeschichte in eine Erinnerungskultur“

Last updated 18. Dezember 2023 | Webmaster

Vom 08.-13. November 2021 fand auf dem Campus der Universität Lüneburg (der ehemaligen Scharnhorst-Kaserne) eine Gedenkwoche zum Thema „Aufbruch“ statt. Gemeinsam wurde an die Verfolgten des Nationalsozialismus erinnert und über einen Umgang mit der Geschichte des Campus debattiert.

Die Scharnhorst-Kaserne, welche 1936 errichtet wurde, beherbergte u.a. das Infanterie-Regiment 47 und Teile der Infanterie-Division 110 der Wehrmacht, die von Lüneburg und der Region aus in Südosteuropa, in Nordafrika sowie in Russland im Rahmen des sog. „Unternehmens Barbarossa“ – dem Codewort für den Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion – im Einsatz waren und dabei an verschiedensten Kriegsverbrechen beteiligt waren. Die NS- Vergangenheit ist am heutigen Campus der Universität Lüneburg nicht sichtbar. 

In dieser Woche sollte Studierenden und Bürger*innen der Stadt die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Verbrechen des Nationalsozialismus zu informieren, sowie den Opfern zu gedenken.

Programm

05.11.-16.11.2021

Ausstellungscontainer #stolenmemory in Kooperation mit den Arolsen Archives

#StolenMemory ist eine Kampagne der Arolsen Archives zur Rückgabe persönlicher Gegenstände – sogenannter Effekten – von ehemaligen KZ-Häftlingen an ihre Angehörigen. Im Rahmen der Fördermaßnahme „Kultur in ländlichen Räumen“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien konnte eine mobile #StolenMemory Wanderausstellung entwickelt werden, die in einem Überseecontainer installiert ist. Sie wird durch eine Website, eine App sowie pädagogische Bildungsmaterialien begleitet. Die Arolsen Archives sind ein internationales Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfangreichsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. 
Die Begleitmaterialen wurden 2020 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet und kann unter https://stolenmemory.org/ eingesehen werden.

Der Ausstellungscontainer steht vom 05.11.2021 bis zum 16.11.2021 vor der Mensa der Leuphana und ist Montags bis Freitags von 10:00-18:00 Uhr begehbar. Besichtigungen am Wochenende sind mit Terminvereinbarung möglich (Kontakt über ).


Montag – 08.11.2021

Vortrag von Cheryce von Xylander, PhD, und Prof. Dr. Ulf Wuggenig
Selektive Erinnerung. Auf- und Abrüstung einer 1000-jährigen Provinzstadt
(2G)

Lüneburg rühmt sich nicht nur seiner mehr als 1000-jährigen Geschichte, sondern auch seiner nicht weniger langen Tradition als Soldatenstadt. Der dunkelste Teil ihrer Geschichte waren zweifelsohne die 1930er und 1940er Jahre, jene Zeit, in der die jüdische Bevölkerung Opfer von Verfolgung, Vertreibung und Ermordung wurde. In den 1930er Jahren erfuhr die militärische Infrastruktur der Hansestadt in ihren nördlichen, östlichen und südlichen Teilen unter nationalsozialistischer Ägide enorme Ausdehnung. Die europaweiten Einsätze der im Nordosten unter Wolfram von Richthofens Führung angesiedelten Luftwaffe fanden nach und nach ebenso Eingang in die kritische kulturelle Erinnerung wie die noch in Friedenszeiten erfolgte Aufstellung verschiedenster Infanterie- und Artillerieeinheiten, mit und ohne Pferden. Dies wurde seinerzeit in den lokalen Medien in Wort und Bild ausführlich begleitet. Ein Schleier des Nichtwissens bzw. von Ignoranz liegt hingegen nach wie vor über jenen Verbänden und deren kriegerischer Praxis, die in Lüneburg während des zweiten Weltkriegs in verdeckter Form mobilisiert wurden und vor allem im Osten Europas im Zuge des Vernichtungskrieges gegen die dortige jüdische und slawische Bevölkerung zum Einsatz kamen. Der Vortrag thematisiert das Problem selektiver Erinnerung in der Stadt Lüneburg einschließlich ihrer Hochschule und Universität sowie ihrer sozialen und psychologischen Grundlagen unter Nutzung bislang unbeachtet gebliebenen Archivmaterials.

Veranstaltungsbeginn ist um 18:00 Uhr in Hörsaal 3.


Dienstag – 09.11.2021

Eröffnungsrede #stolenmemory

tba

Die Veranstaltung wird um 10:00 Uhr eröffnet, Veranstaltungsort ist vor der Mensa.

Workshop: (Ur)Opa war (k)ein Nazi? von Oliver von Wrochem – NS Täterschaft in der Familie und Gesellschaft
(2G)

Um 11:00 startet im Multifunktionszimmer (Geb.9 1.OG) ein Workshop zur biographischen Annäherungen an Familiengeschichte und Familiengeschichten. Dieser bietet allen Interessierten Hilfestellungen, die Geschichte der eigenen Familie zu erforschen. Wie lässt sich über NS-Täter*innen, Zuschauer*innen, Mitläufer*innen, und NS-Verfolgte sowie über Orte der Verbrechen in Archiven, im Internet, in Datenbanken und Onlinekatalogen recherchieren?

Anmeldungen für den Workshop bis zum 07.11.2021 unter

Long Night of the Digital Memorial in Kooperation mit den Arolsen Archives
(2G)

In der Nacht vom 9. November 1938 und in den Tagen danach führten die Nationalsozialisten gezielt Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung durch. Die Polizei griff nicht ein – kaum jemand traute sich, den Nachbarn zu helfen. Anlässlich des Jahrestags der Novemberpogrome laden wir dazu ein, gemeinsam mit uns an dem digitalen Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus zu bauen und ein Zeichen für Respekt, Vielfalt und Demokratie zu setzen. 
Gemeinsam mit dem Arolsen Archives haben wir eine europaweite Aktion an Hochschulen geplant, um dieses digitale Denkmal mit euch zu bauen. Die Arolsen Archives sind ein internationales Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfangreichsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. 
Am 9. November stehen die Dokumente aus den Zugangsmeldungen des Konzentrationslagers Dachau aus genau diesen Tagen zur digitalen Erfassung der Inhalte bereit. Durch das Erfassen der Häftlingsnamen erinnern die Teilnehmer*innen aktiv an die Ereignisse und besonders an die Verschleppung von 30.000 Juden in Konzentrationslager. Sie werden dabei mit dem sprunghaften Anstieg der Häftlinge im Konzentrationslager Dachau konfrontiert. Als „Haftgrund“ findet sich bei allen: „Schutzhaft Jude“. Die Originaldokumente machen deutlich, wie aus Ausgrenzung offene Gewalt wurde.  

Um 17:30 Uhr werden wir im Auditorium (Zentralgebäude) ein Vortrag von Dr. Christian Höschler hören, der uns über die Bedeutung von digitaler Erinnerungskultur, über #everynamecounts und die Arbeit der Arolsen Archives vorstellt. Danach beginnt die Digitalisierungsaktion, dazu seid ihr gefragt: Bringt eure Laptops mit und helft uns den Angehörigen und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, nach Opfern online zu suchen, und ihnen ihren Namen zurückzugeben. Im Foyer wird es Verpflegung und Getränke geben, Kurzfilme und den Raum sich zu unterhalten und sich auszutauschen.

Rundgang & Stolpersteine Putzen: Gedenken an die Novemberpogrome 1938 in Kooperation mit der Antifa

In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus findet ab 19:00 Uhr ein Stadtrundgang statt. Dafür werden von dem Anna&Arthur (Katzenstraße 2) Putzutensilien, Grablichter und Informationsmaterial zu den Stolpersteinen und Personen zur Verfügung gestellt.
Ihr könnt anschließend in Zweier- oder Haushaltsgruppen eigenständig dem Gedenken nachgehen.


Donnerstag – 11.11.2021

Workshop zur Antisemitismusprävention in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung
(2G / online)

Antisemitismus hat eine lange Geschichte und gehört bis heute zu den größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Der Hass auf Juden, die Ablehnung des Jüdischen, wo immer es auftaucht, ist weit verbreitet und antisemitisch motivierte Gewalttaten auf einem beständig hohen Niveau. Der Amadeu Antonio Stiftung ist es zentrales Anliegen, sich gegen Antisemitismus zu engagieren und bietet in ihrem Workshop die Möglichkeit, sich dem Thema multiperspektivisch anzunähern. Ziel ist es Antisemitismus als Querschnittsthema wahrzunehmen, Funktion und Ideologie zu verstehen und Handlungsempfehlungen gegen das Problem abzuleiten. Der Workshop soll zu einer starken, pluralistischen Zivilgesellschaft beizutragen, die sich dazu befähigt und verpflichtet fühlt, antidemokratischen, menschenfeindlichen Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft entgegen zu treten. Genauere Informationen folgen.

Um 14:00 findet der Workshop per Zoom statt.

Zoom-Meeting beitreten
https://leuphana.zoom.us/j/98734908973?pwd=d0FJUjJoVUVYSlRyQVdXVS84OU9nQT09

Meeting-ID: 987 3490 8973
Kenncode: 998218

Ihr könnt euch online dazuschalten oder um 14:00 Uhr zum MuFuZi in Gebaude 9 kommen, um am Workshop teilzunehmen.


Freitag – 12.11.2021

Lesung „Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen“
(2G)

Es ist ein Schock, der ihr ganzes Selbstverständnis erschüttert: Mit 38 Jahren erfährt Jennifer Teege durch einen Zufall, wer sie ist. In einer Bibliothek findet sie ein Buch über ihre Mutter und ihren Großvater Amon Göth. Millionen Menschen kennen Göths Geschichte. In Steven Spielbergs Film «Schindlers Liste» ist der brutale KZ-Kommandant der Saufkumpan und Gegenspieler des Juden-retters Oskar Schindler. Göth war verantwortlich für den Tod Tausender Menschen und wurde 1946 gehängt. Seine Lebensgefährtin Ruth Irene, Jennifer Teeges geliebte Großmutter, begeht 1983 Selbstmord. 
Jennifer Teege ist die Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers. Sie wurde bei Adoptiveltern groß und hat danach in Israel studiert. Jetzt ist sie mit einem Familiengeheimnis konfrontiert, das sie nicht mehr ruhen lässt. Wie kann sie ihren jüdischen Freunden noch unter die Augen treten? Und was soll sie ihren eigenen Kindern erzählen? Jennifer Teege beschäftigt sich intensiv mit der Vergangenheit. Sie trifft ihre Mutter wieder, die sie viele Jahre nicht gesehen hat.

Um 18:00 Uhr findet die Lesung im Forum des Zentralgebäudes statt, der Eintritt ist frei, es ist keine vorherige Anmeldung nötig.


Samstag – 13.11.2021

Führung durch die „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg           

Im Rahmen der „Aktion T4“ wurden 1940/41 mindestens 475 erwachsene Patient*innen der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg wegen Erkrankung oder Behinderung in die Anstalten Hadamar und  in Pirna-Sonnenstein deportiert und nahezu alle dort ermordet. Zudem war die Lüneburger Anstalt die zentrale Sammelstelle für alle Patient*innen ausländischer Herkunft in Norddeutschland. Über 100 Patient*innen starben infolge von Hunger und ausbleibender Behandlung. 1944 wurden über 60 ausländische Patienten in Tötungsstätten deportiert und dort ermordet. Bereits ab 1943 starben im Rahmen der „dezentralen Euthanasie“ mehr als ein Fünftel aller Patient*innen an Mangel- und Fehlversorgung.
Ab 1941 bis 1945 gab es in Lüneburg eine von reichsweit insgesamt mehr als 30 sogenannten „Kinder-fachabteilungen“ in psychiatrischen Anstalten. Von 727 dort aufgenommenen Kindern und Jugendlichen überlebten 425 die „Kinderfachabteilung“ nicht. Mindestens 300 Kinder und Jugendliche wurden vor Ort mit Medikamenten ermordet. Weitere rund 100 Kinder ließen Ärzte und Pflegepersonal verhungern. Die Ärzte, gegen die wegen des Mordes in den späten 1940er und 1960er Jahren Ermittlungen stattfanden, wurden für ihre Taten nicht verurteilt.

Meldet euch für die Führung durch die „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg an bis zum 12.11.2021 unter Die Führung findet am 13.11.21 um 12 Uhr vor Ort bei der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg Am Wienebütteler Weg 1, 21339 Lüneburg statt.